Dass Japaner eine Schwäche für abgedrehte und hochmoderne Technik haben, ist allgemein bekannt (Roboter für Pflegeheime, Tamagotchis usw.). Seit 2003 gibt es eine neue Kuriosität aus Japan: Komplett virtuelle Sänger, sogenannte Vocaloide/Vocaloids. „Komplett virtuell“ bedeutet tatsächlich zu 100% unecht – ein fiktives Aussehen und – das ist das Besondere – eine rein synthetische Stimme. Mit einem Software Synthesizer ist es möglich geschriebenen Text in Sprache und Gesang umzuwandeln. Zero-G und später Crypton Future Media produzierten seitdem die Software, dessen Charaktere einen Siegeszug im japanischen Sprachraum und darüber hinaus antreten.
Die Vocaloide
Miku Hatsune

Miku Hatsune ist der erste Charakter der Reihe und erschien Mitte 2007 mit der ersten Software. Sie war das Gesicht zur virtuellen Stimme und stellt ein jugendliches Mädchen mit grünen Haaren dar. Die Versionsnummer ist auf ihrem Arm abgebildet, wie auch bei den späteren Versionen. Durch geschickte virale Kampagnen und viel Communityarbeit erlangte Miku große Bekanntheit und ihr Gesicht war bald allgegenwärtig. Durch die später erschienene Visualisierungssoftware, mit der es möglich war, die Charaktere zur Musik tanzen zu lassen, festigte sich die Bindung an die virtuelle Figur.
Rin & Len Kagamine

Rin und Len wurden im weiteren Verlauf von 2007 veröffentlicht. Die beiden Blondschöpfe haben zwar den gleichen Nachnamen, sollen aber dennoch keine Geschwister darstellen. Ihre Vornamen enthalten Anspielungen auf „Links“ und „Rechts“. „Kagamine“ bedeutet „Spiegelklang“. Im Duett passen beide Vokalspuren sehr gut zusammen.
Luka Megurine

Luka ist die dritte bekannte japanische Stimme der Software Synthesizer. Ihre Stimmlage ist tiefer und klingt erwachsener als die bisherigen japanischen Stimmmodelle.
Vocaloid konnte in einigen Versionen neben japanischen auch englische Texte umwandeln, die jedoch nicht so einen hohen Bekanntheitsgrad entwickeln konnten. Ich vermute das liegt auch an der Sprache – Englisch ist im Gegensatz zu Japanisch keine Silbensprache und aufgrund der vielen harten Konsonanten wesentlich schwerer zu konfigurieren.
Die Faszination in der Software besteht darin, dass selbst unbegabte Sänger/Songwriter und einfache Programmierfreaks Musik mit Gesang komponieren können. Das ging früher nur mit der Melodie und eine Stimme musste stets manuell aufgenommen oder mit Samples eingefügt werden. Im Internet kursieren bereits tausende Songs der Vocaloids. Vor allem Youtube und Nico Nico Douga etablieren sich hier als größte Source für synthetische Musik. Besonders cool hier: Keine Sperrungen, keine Löschungen = Open Source in Hülle und Fülle. Die Rechte der Songs liegen bei den Künstlern, lediglich die Figuren sind geschützt. Trotzdem werden Fanarts, Bilder und Videos geduldet, tragen sie doch enorm zur Bekanntheitssteigerung des Produkts bei.
Und Japan wäre nicht Japan, wenn nicht noch eine Merkwürdigkeit das ganze toppen würde. Seit 2009 gab es schon mehrere „Live-Konzerte“ der virtuellen Diven: Mit echtem Publikum, mit echter Band – nur nicht mit echten Sängern, sondern mit Hologrammen, die singen und tanzen. Irre, aber irgendwie cool.
Kostproben zum Reinhören
Meltdown – Rin Kagamine (Live /HD)
http://www.youtube.com/watch?v=ih-inAjtozQ
Rin und Miku – Promise (Live /HD)
http://www.youtube.com/watch?v=rFHWW8PuoDw
Miku Hatsune – Moon Behind
http://www.youtube.com/watch?v=ok_8y4pLENM
Was mich am meisten fasziniert ist die Tatsache, dass dieses „Produkt“ funktioniert, obwohl keine reale Person (außer natürlich dem Komponisten) hinter dem Projekt steht. Die Charaktere sind längst Selbstläufer und werden von den meisten Animefans erkannt. In Japan laufen Musikvideos im TV und die Software wird noch immer zahlreich verkauft. Ich frage mich ob sich die Software auch so gut ohne die visuelle Gestaltung der „Sängerinnen“ verkauft hätte. Irgendwie scheint es vielen leichter zu fallen eine komplett synthetische Stimme anzunehmen, wenn ein passendes Gesicht dazu existiert, um die Identifikation zu erleichtern.
Wenn ihr mehr erfahren wollt könnt ihr eine gute Vocaloid-Dokumentation bei Youtube anschauen. Und auf Wikipedia findet einen guten Artikel mit mehr Informationen.